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Was kann der Friedhof?

Nicht erst seit gestern ist klar: Unsere Friedhöfe verändern sich – und diese Veränderungen stellen alle am Friedhof tätigen Gewerke, aber auch die Friedhofsträger vor Herausforderungen. Dabei sind Friedhöfe nicht bloß funktionale Orte für die Beisetzung unserer Verstorbenen. Sie sind Orte der Begegnung und Naherholung. Orte, an denen kultureller und sozialer Austausch stattfindet. Orte, an denen Menschen Ruhe und Rückzug finden.

Mit dieser Handreichung möchten wir den Friedhof nicht nur in dieser Vielfalt erfassen. Wir möchten vor allem zeigen, wie jeder Friedhof in Deutschland mit kleinen Eingriffen und niedrigschwelligen Angeboten zu einem Ort des Austauschs, einem lebendigen Ort werden kann. Grundlage dafür ist das seit Herbst 2022 laufende Modellprojekt Friedhof 3.0 auf dem Hauptfriedhof in Kaiserslautern.

Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen zu den hier gezeigten Beispielen haben oder ganz allgemein einmal über Ideen und Möglichkeiten auf Ihrem Friedhof sprechen möchten, freuen das Projektteam und wir uns, von Ihnen zu hören!

Gemüse auf dem Friedhof

Das Thema Gemüseanbau auf dem Friedhof geistert seit einigen Jahren regelmäßig durch die Medien. Insbesondere Berlin-Neukölln steht dabei im Fokus. Während es hier primär um neue Möglichkeiten der Nutzung brachliegender Friedhofsflächen im urbanen Raum geht, hat das Team in Kaiserslautern dem Thema noch eine zusätzliche Tiefe verliehen.

18 an Grabstätten angelehnte Beete wurden angelegt. Darin wachsen und gedeihen Kulturpflanzen, die nicht (mehr) in Masse angebaut werden. Kooperationspartner zur Beratung und Unterstützung ist Slow Food Saarland. Jede Fläche wird mehrmals im Jahr kultiviert. Die grabsteinartigen Informationstafeln liefern botanische Details und laden zum Mitmachen ein.

Die Holzdielen können nach Projektende demontiert und weiterverwendet werden. Ebenso die Informationstafeln, deren Beschriftung sich rückstandslos entfernen lässt. Auch eine Weitergabe der Ausstattung an andere Friedhöfe ist möglich. Gerne stellt das Projektteam Kontakte bzgl. des Saatguts her.

Eckdaten: Beete 150 x 240 cm // Infotafeln 120 x 60 x 10 cm

Kunst auf dem Friedhof

Friedhöfe sind an sich bereits öffentliche Kulturräume. Die Zunahme an Überhangflächen und die gleichzeitig steigende Wertschätzung der Menschen für den Friedhof als Raum der Entschleunigung und Naherholung legen nur nahe, unsere Friedhöfe für weitere kulturelle Impulse zu öffnen.

In Kaiserslautern können die Friedhofsbesucherinnen und -besucher beispielsweise einen aus Tausenden von Grablichtern gestalteten Kubus bestaunen, der in der Morgen- und Abenddämmerung von innen heraus leuchtet. Weitere Interventionen stellen ein Panorama aus zu 100 % recycelbaren Gießkannen und zwischen Bäumen befestigte Banner dar, die zur Reflexion über Leben und Tod einladen.

Banner, Gießkannen und selbst der Kubus können nach Projektende komplett demontiert und weiterverwendet werden. Interessierte Friedhöfe können sich direkt ans Projektteam wenden.

Eckdaten (Banner): 250 x 300 cm, oben Hohlsaum mit Eisenrohr, unten Hohlsaum mit Makrolonschiene // Meshmaterial, luftdurchlässig
Eckdaten (Gießkanne): 200 Gießkannen, Fassungsvermögen 10 L // 100 % recycelbar und produziert in Deutschland
Eckdaten (Kubus): 140 x 140 x 220 cm // Gewicht ca. 80 kg // 6 wasserfeste LED-Panels, über App steuerbar // 220 V Anschluss

Vielfalt auf dem Friedhof

Auf unseren Friedhöfen spiegelt sich auf einzigartige Weise die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft. Diese Pluralisierung des Friedhofs als Beisetzungs- und Begegnungsort für verschiedene Religionen und Weltanschauungen wird in den nächsten Jahren und Jahrezehnten nur stärker zutage treten. Bereits heute verlangt sie nach Ausdrucksformen, die sich natürlich in einem stetigen Wandel und Dialog miteinander befinden. In Kaiserslautern mahnen große Fahnen mit bekannten Symbolen der Weltreligionen sowie einer Leerfläche an diese Vielfalt auf dem Friedhof. Begleitend dazu hat das Projektteam öffentliche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften organisiert, um den interkulturellen Dialog ganz unmittelbar und niedrigschwellig auf dem Friedhof selbst zu führen.

Auch die Fahnen können nach Projektende problemlos weiterverwendet werden.

Eckdaten (Fahnen): 60 x 90 cm mit 6 cm Hohlsaum (oben) und Hohlsaum mit eingenähtem Bleiband (unten) // Flagtex Fahnenstoff

Gemeinsam auf dem Friedhof

Das Beispiel des interkulturellen Dialogs macht bereits deutlich: Die hier gezeigten, beispielhaften Interventionen geschehen nicht im luftleeren Raum. Ausgangspunkt aller Überlegungen, den Friedhof mit neuen Ideen und Angeboten zu bespielen, ist der intensive Austausch mit allen am Friedhof Beteiligten: den Gewerken, der Kommune, den Religionsgemeinschaften und den ansässigen Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Im Mittelpunkt aber stehen ganz selbstverständlich die Menschen, die ihre Friedhöfe kennen, besuchen, schätzen und pflegen. Darum ist es nicht nur naheliegend, sondern unumgänglich, sie in die Veränderungsprozesse auf dem Friedhof miteinzubeziehen – durch fachliche oder künstlerische Veranstaltungen, Formate und Gesprächsangebote. Das Beispiel Kaiserslautern zeigt, dass solche Angebote, gerne, regelmäßig und zahlreich angenommen werden.

Unser Friedhof

Was macht Ihren Friedhof aus? Wie wird sich Ihr Friedhof in den nächsten Jahren und Jahrzehnten voraussichtlich verändern – und wie möchten Sie diese Veränderungsprozesse ein Stück weit steuern und mitgestalten? Machen Sie sich von diesen Fragen ausgehend auf die Suche nach Partnerinnen und Partnern und entwickeln Sie gemeinsam Ideen und Konzepte. Seien Sie experimentierfreudig: Was auf dem einen Friedhof gut funktioniert und auf Zustimmung trifft, muss deswegen nicht überall funktionieren. Die Einbindung der Menschen vor Ort ist der Schlüssel, um unsere Friedhöfe nachhaltig neu zu denken.

Wir hoffen, Ihnen mit unseren Eindrücken aus Kaiserslautern einige Denkanstöße geliefert zu haben. Für Fragen, Anmerkungen und sonstiges Feedback stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Für alle Fotos auf dieser Seite gilt © Thomas Brenner